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Zia Nannina

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Zia Nannina

geboren 1929 in Cellamare/Italien,
gestorben 2005 in Triggiano/Italien

Die Focaccia der Zia Nannina
(ital. das Fladenbrot der Zia Nannina)

Es war Anfang der 60ziger Jahre in Apulien Süditalien, genauer gesagt der Ort Triggiano eine Provinz von Bari.

Im Jahr 1964 war ich 6 Jahre alt und lebte bei einer Tante mit dem Namen „Angelina“. Sie war sehr böse und der Ehemann „Donato“ ein Trinker kam jeden Tag betrunken von der Feldarbeit nach Hause. Er schlug mich oft mit seinem Gürtel.

Immer, wenn ich ihm entkommen konnte, lief ich zu meiner Tante Zia Nannina. Sie wohnte ca. 1 km von uns entfernt. Ihr Mann mein Onkel Ciccillo war Fischer. Er hatte einen eigenen Fischerkutter und wenn ich Glück hatte und mein Onkel Donato mich nicht am selben Abend zurück nach Hause holte, dann fuhr ich mit ihm am Abend hinaus zum Fischen ins weite Meer.

Eigentlich hatte ich Angst vor dem weiten tiefen Meer, da ich noch nicht schwimmen konnte. Doch Zio machte mir Mut. Er zog mir eine Art Schwimmweste an. Sie war aus Korkenstücken selber zusammengesetzt und roch extrem nach Fisch, dass es einem übel wurde. So fischten wir die ganze Nacht mit Netzen und ich mit einem Nylonseil nach Polypen Meereskraken. Immer wenn ich eine am Haken hatte, half mir Onkel Ciccillo, die großen Kraken aus dem Wasser zu ziehen. Das fand ich damals sehr lustig. Er tötete die Kraken mit einem biss in den Kopf. Es waren sehr arme Leute und er besaß gar keine Zähne. Aber trotz Ihrer Armut waren sie so herzlich und gütig wie Engel, mein Onkel Zio und die Tante Zia. Für mich war Zia eine Heilige.

Sie gab alles und arbeitete von morgens bis abends. Sie hatte ein paar Hühner und Hasen die wir regelmäßig schlachteten, um Fleisch essen zu können. Zia hatte auch drei eigene Kinder Michele, Christina und Pierino. Gleich um die Ecke war ein Holzofen. Dort gingen alle Bewohner des Ortes hin und sie konnten gegen eine geringe Gebühr Brot backen oder in der Weihnachtszeit Plätzchen und Focaccia. Jeden Mittwoch stand Zia sehr früh auf und mischte aus Mehl, Hefe und gekochten Kartoffeln mit den bloßen Händen eine sehr große Teigmenge. Sie musste ihn sehr lange bearbeiten, wir Kinder schliefen nebenan und der Duft des Hefeteiges ließ uns das Wasser im Mund zusammen laufen. Zia backte auch das Brot selber und dies war wirklich keine leichte Arbeit. Man muss sich vorstellen 10 kg Mehl zu einem Teig zu bearbeiten und das alles mit der Hand und ohne Rührwerk. Zia jammerte nie, sie war immer fröhlich und glücklich obwohl sie es schwer hatte, denn wie gesagt, das Geld fehlte an jeder Ecke. Oft musste ich in den Kramerladen gehen und alles anschreiben lassen, was ich eingekauft hatte. An den Tagen, an denen sie aus dem Teig im Holzofen herrlich duftende Focaccia zauberte, lagen wir so gegen 9 Uhr noch im Bett. Zia brachte dann das riesengroße Blech mit dem fertig gebackenen Fladenbrot nach Hause. Es war belegt mit Tomaten, die so süß waren wie Bonbons. Der Oregano roch bis zu uns unter die Wolldecken. Dann sprangen wir Kinder, wie die wilden Kerle aus dem Bett und jeder von uns bekam ein Stück von der knusprig gebackenen, mit Tomaten belegten Focaccia.

Wenn wir Glück hatten, dann war auch für jeden von uns noch eine Scheibe italienische Mortadella drauf. Das war wie im Paradies, der Duft und der Geschmack ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. Es war für und das Ereignis schlechthin Focaccia von der Zia Nannina. Als ich dann 1969 nach Deutschland mit meiner Mutter emigrierte, war alles verloren. Zia habe ich nie wieder gesehen. Meine Mutter hat immer wieder versucht mir Focaccia zu backen. Doch so wie die der Zia gab es nur einmal auf der Welt. Vor sieben Jahren ist meine geliebte Zia gestorben. Ich habe es ein Jahr nach ihrem Tod erfahren, als ich nach 40 jähriger Abwesenheit wieder nach Triggiano gefahren bin. Leider zu spät. Aber ihr Mann der Zio hat zu der Zeit noch gelebt. Er war schon 91 Jahre. Zuerst hat er mich nicht erkannt, doch nach einiger Zeit, als ich ihm von den Kraken erzählte, wusste er wer ich war. Das Beste, er hatte einen Kochtopf auf dem Herd und was war darin? Natürlich Polpo (Krake) Inzwischen ist auch er gestorben und somit ein Teil meiner glücklicher Kindheit in Triggiano. Glück das ich nur hatte und spürte wenn ich bei meiner Zia Nannina war. Möge Gott sie belohnen für die Liebe, die sie uns Kindern und den Rest des Ortes gab. Ruhe in Frieden Zia vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder und du backst für mich und den Engeln im Himmel Focaccia.

© Geschrieben von ihrem Neffen Giovanni Angelo Lonigro

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